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Datum: 04.03.2015

Kritik an Vorschriften für Gesamtschule

In Sachen des Aufnahmeverfahrens an der Gesamtschule Brakel hat sich Bürgermeister Hermann Temme am Freitag an NRWSchulministerin Sylvia Löhrmann persönlich gewandt.

Brief an Ministerin Sylvia Löhrmann

Sehr geehrte Frau Ministerin Löhrmann,

als Bürgermeister der Stadt Brakel wende ich mich heute mit einem Anliegen an Sie in der Hoffnung, dass Sie hier helfend eingreifen können.

Seit dem Schuljahr 2013/14 ist in Brakel eine genehmigte 5-zügige aufbauende Gesamtschule an den Start gegangen und gleichzeitig laufen die vorhandene Hauptschule, die Realschule und das städtische Gymnasium aus. Der Verlauf der Aufnahmeverfahren zu den Schuljahren 2013/14 mit 190 Schülern (2 Zusatzklassen) und im Schuljahr 2014/15 mit planmäßig 131 Schülern ließ auch zum geburtenstärkeren Schuljahr 2015/16 einen Anmeldeüberhang erwarten. Darüber hinaus kommen mindestens 10 I-Kinder hinzu, wobei der Gesamtschule von 2 weiteren Eltern der Wunsch zur Beschulung Ihres I-Kindes an der Gesamtschule Brakel vorliegt.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der zunehmenden Flüchtlingszahlen und der zentralen Lage der Stadt Brakel im Kreis Höxter das Schulamt für den Kreis Höxter beabsichtigt, eine A/V-Klasse an der Gesamtschule zu bilden.

Diese Umstände wurden zum Anlass genommen bei der Bezirksregierung Detmold vorsorglich ein vorgezogenes Anmeldeverfahren zu beantragen, welches auch genehmigt wurde. Gleichzeitig wurde bereits auf den Wunsch zur Bildung einer Mehrklasse hingewiesen.

Nach dem Ergebnis des Anmeldeverfahrens liegen der Gesamtschule Brakel insgesamt 141 Anmeldungen (131 Regelkinder plus 10 I-Kinder) vor. Aus diesem Grund wurde bei der Bezirksregierung Detmold die Einrichtung einer Mehrklasse beantragt. Begründet wurde der Antrag neben den Anmeldezahlen mit der notwendigen Bildung einer A/V-Klasse (z.Z. 4 Kinder) und der möglichen Zuweisung von weiteren 2 I-Kindern. Weiterhin wurde die Zustimmung aller zu beteiligenden Schulträger dem Antrag beigefügt.

Dieser Antrag wurde von der Bezirksregierung Detmold abgelehnt. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass für die Einrichtung einer Mehrklasse -zum Schutze der Nachbarkommunen- 150 gemeindeeigene oder diesen gleichgestellte Anmeldungen erforderlich sind. Auf die weiteren Gründe für den Antrag (I-Kinder, A/V-Klasse) wurde nicht weiter eingegangen.

Aufgrund der geografischen Lage stellt die GE Brakel jedoch für einen großen Einzugsbereich die nächstgelegene Gesamtschule dar (vgl. Kartenausschnitt).
Damit dürfen für diese Einpendler die Nummern 5 und 6 des § 1 Abs. 2 APO-SI nicht herangezogen werden.
In der Praxis bedeutet dies, dass bei einem Anmeldeüberhang gemeindeeigene Kinder abgelehnt werden müssen, zugunsten einpendelnder Kinder und zum Schutze der Schulen der Nachbarkommunen.

In dem konkreten Fall hatte die Ablehnung der Mehrklasse zur Folge, dass unter Beachtung des § 1 Abs. 2 APO-SI ein Losverfahren stattfinden musste, um die maximale Schülerzahl von 135 Kindern zu erreichen. Dabei wurden 3 Kinder aus dem unmittelbaren Stadtgebiet Brakel, 1 Kind aus dem gleichgestellten Sozialraum und 1 Kind eines anderen Schulträgers ausgelost.

Die geplante und erwünschte A/V-Klasse kann zudem faktisch nicht eingerichtet werden, da in zwei der drei Jahrgängen wegen Maximalauslastung keine Möglichkeit der Eingliederung besteht.

Sehr geehrte Frau Ministerin Löhrmann, Sie können sich sicher vorstellen, dass es mir kaum möglich ist, den betroffenen Eltern der ausgelosten Kinder, insbesondere aus dem Stadtgebiet Brakel, plausibel zu erklären, warum sie ihr Kind nicht an einer weiterführenden Schule in Brakel anmelden können, sondern an der eines benachbarten Schulträgers.
Bei allen Bemühungen zur Integration von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte soll für Kinder keine Möglichkeit der Eingliederung in der Schule bestehen?
Von den Schwierigkeiten der Erreichbarkeit einer anderen Schule mit öffentlichen Verkehrsmitteln im ländlichen Bereich will ich erst gar nicht sprechen. Auch der Verweis der betroffenen Eltern auf die schulrechtlichen Vorschriften ist aus meiner Sicht sehr unbefriedigend.

Ein Erörterungsgespräch bei der Bezirksregierung Detmold am 23.02.2015 verlief erfolglos. Zur weiteren Begründung wurde noch ausgeführt, dass Anmeldungen für die Einrichtung einer A/V-Klasse nicht für die Bildung von Mehrklassen herangezogen werden dürfen. Nach dem Runderlass über Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte, insbesondere im Bereich der Sprachen vom 21.12.2009 (BASS 13-63 Nr. 3), teile ich diese Auffassung nicht.

Die Vorschriften für Gesamtschulen scheinen mir für den ländlichen Bereich ver-besserungsbedürftig zu sein.

Durch die Aufnahme von 2 I-Kinder pro Parallelklasse wurde der Klassenfrequenzrichtwert nach der VO zu § 93 Abs. 2 SchulG von 29 auf 27 abgesenkt. Nach dieser Verordnung wurde jedoch der untere Wert der Bandbreite von 25 nicht gleichsam auf 23 gesenkt. Dies wäre möglicherweise ein Lösungsansatz, um die bestehende Problematik insbesondere im ländlichen Bereich zu entschärfen.
Ebenso sollte es möglich sein, dass die A/V-Kinder für die entsprechende Jahr-gangsstufe mitgezählt werden, da für diese Schüler nach dem oben zitierten Runderlass das Ziel die „schnellstmögliche Eingliederung […] in die ihrem Alter oder ihrer Leistungsfähigkeit entsprechende Regelklasse“ ist, was nur möglich ist, wenn Plätze in den Klassen vorhanden sind.
Meines Erachtens müssten auch die einpendelnden Kinder für die nächstgelegene Gesamtschule zumindest als Kinder des Sozialraumes gewertet werden dürfen.

Ich hoffe, dass ich Ihnen die Problematik in der notwendigen Kürze schildern konnte und wäre Ihnen für eine Prüfung und Rückmeldung sehr dankbar. Über Ihre Rückantwort freue ich mich.

Medienberichte:

Presseartikel der NEUEN WESTFÄLISCHEN vom 28. Februar 2015

Presseartikel des WESTFALEN-BLATTES vom 28. Februar 2015